Gestern Abend war ich wahrhaftig in jeder Hinsicht der müde Pilger, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen Ort, an dem er sich ausruhen kann.
Bereits recht früh hatte ich mein eigentliches Tagesziel erreicht: Sittingbourne, das auch in den Canterbury Tales erwähnt wird („er I come to Sidyngborne“, CT Wife of Bath’s Prologue, v. 847). Obwohl Sittingbourne nicht besonders sehenswert ist, wie ich mir hatte versichern lassen, war dort kein einziges freies Zimmer für die Nacht zu bekommen. Fast fühlte ich mich ein wenig wie Josef und Maria in der Weihnachtsgeschichte – nur dass mir auch niemand einen Stall anbot. Auch wenn ich wusste, dass es keine gute Idee war, beschloss ich, bis nach Faversham weiterzuziehen. Also noch einmal rund 12 Kilometer, ein Tagespensum, in der bloßen Hoffnung, dass ich in Faversham mehr Glück haben würde – und dies auch noch bezahlen könnte. Ich kam an und hatte Glück, aber an meinen Füßen habe ich Blasen unter Blasen unter Blasen. Oft waren es allein mein Dickkopf und der Gedanke an die Helden in meinen geliebten Geschichten, die mich weitergehen ließen.
Je weiter ich gehe, je länger ich alleine unterwegs bin, in je mehr Orten ich übernachte, umso klarer kristallisieren sich einige wirklich wichtige Dinge heraus:
- Ansprüche an eine Unterkunft beginnen als: Ein schönes Zimmer für mich alleine und einem gemütlichen Bett, ein eigenes Bad mit funktionierender Dusche und ein leckeres Frühstück. Was wirklich zählt ist: Ein Zimmer mit Bett, ein Bad und (wenn möglich) Frühstück.
- Wichtiger als alles unter 1. sind freundliche, hilfsbereite Menschen/Gastgeber. Hier in Faversham habe ich oben beschriebenes Luxuszimmer, konnte aber seltsamerweise nur für drei Nächte buchen, nicht nur für eine. In Rochester bot man mir in einem B&B etwas zu trinken, obwohl dort kein Platz mehr war, und die Gastgeber hätten eher ihr eigenes Schlafzimmer geräumt, als dass ich auf der Straße stehe. Ich muss nicht lange überlegen, wo ich mich wohler gefühlt habe …
- Geschichten sind für mich Kraftquellen. Sie lenken mich ab, muntern mich auf, sind mir Vorbild. So muss ich z.B. oft an die Worte von Samweis denken, dass die Geschichten, die wirklich wichtig sind, jene sind, in denen die Helden weitergingen, egal wie schwer ihr Weg auch war.
- Gefährten, die einen begleiten. Wie oft habe ich mir in der letzten Woche schon gewünscht, ich wäre nicht alleine unterwegs, sondern hätte jemanden, mit dem ich die Freuden, aber auch die Sorgen der Reise teilen kann.
- Zum Wandern/Pilgern unbedingt passende Schuhe tragen!
Ihr Lieben, tausend Dank für Eure aufmunternden Worte! Eigentlich reise ich ja also gar nicht allein 🙂
@Ulf: Nein, Orkhorden sind mir zum Glück noch keine begegnet und das einzige, was hier Feuer speit, ist die Sonne. Ein freundlicher Drache wäre eigentlich noch nett …
@Claudi: Ich stimme Dir absolut zu! Aber morgen geht es ja auch schon das letzte Stück nach Canterbury, wo ich bereits eine Unterkunft habe.
Liebe Daniela,
ich lese Deinen Weg hier fleißig mit und wünsche Dir alles Gute für die weiteren Schritte und viele schöne Erfahrungen zum Mit-nach-Hause-nehmen!
Liebe Grüße, Julia
Ach Sam …^^
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und genügend wie Salben wirkende Worte in kraftvollen Geschichten, dass du den Schmerz in deinen Füßen nicht so stark merkst. 🙂
Ich beschließe, dass das der Quoten-Miese-Tag war und es von nun an wieder gut läuft und du mehr freundliche Menschen triffst. 😉
Hi Daniela,
das klingt ja heute recht beschwerlich…aber denk dran – anders als bei Samweis wartet am Ende der Reise kein feuerspeiender Berg auf Dich – und auch keine Orkhorden auf dem Weg (hoffe ich zumindest). Alles Gute für den Rest der Strecke! Grüße von Ulf
Das klingt ja echt nach einem Kraftakt. Ich würde dir jetzt gerne ein Pferd schicken, Pilgern zu Pferd dürfte doch erlaubt sein, oder? 😉
Einfach nicht aufgeben, ich habe den größten Respekt vor dir, nur nicht unterkriegen lassen. 🙂